„Unsere Bestattungskultur verändert sich rasant“
Das sagte neulich ein Bestatter und dem kann ich aus meiner Erfahrung der letzten Jahre heraus nur zustimmen. Noch vor wenigen Jahren war die normale Erdbestattung, zu der öffentlich eingeladen wurde mit anschließender Teetafel die Regel. Doch so wie sich das Dorf wandelt so auch unsere Bestattungskultur.
Ob man sich am Gemeinschaftsleben im Dorf beteiligt, ist heute jedem selbst überlassen. Und so ist es auch nicht mehr selbstverständlich die Öffentlichkeit am Abschied der Familie zu beteiligen. „Beisetzung im engsten Familienkreis“ heißt es dann. Immer öfter hat ein Verstorbener auch gar keine Angehörigen mehr im Dorf. Viele ältere Menschen sehen, dass Niemand da ist, der ihr Grab pflegen könnte. Seitdem auch in Emden ein Krematorium gebaut wurde, verfügen darum immer mehr die Einäscherung und damit zusammen hängende neue Formen der Bestattung. So wird eine Urne im Familiengrab mit bestattet, in einem eigenen Urnengrab mit kleiner Grabplatte oder aber halbanonym auf einer Rasenfläche mit Namensinschrift auf einer Gedenkstele für alle halbanonymen Urnengräber zusammen. Damit entfällt, wie auch bei der Seebestattung, die Grabpflege.
Stärken der traditionellen Bestattung
Alle diese neuen Formen sind heute möglich. Man muss keine Angst haben, wenn man sich dazu herausgefordert sieht. Gegenüber diesen neuen Tendenzen, möchte ich jedoch auch noch einmal die Stärken der traditionellen Bestattung hervorheben:
Die Bestattung in der großen Öffentlichkeit stärkt zum einen die dörfliche Gemeinschaft und sie konfrontiert uns im Laufe unseres Lebens häufiger mit unserer Sterblichkeit und lässt uns fragen: Was ist am Leben wertvoll?
Die traditionelle Beerdigung wird in der großen Gemeinschaft gehalten, damit man auf diesem schweren Weg des Abschieds nicht nur mit schwer vom Verlust betroffenen Personen unterwegs ist. Die große Gemeinschaft kann mehr Halt geben als der kleine Kreis der schwer Erschütterten. Das gilt gerade auch für die Teetafel im Anschluss an die Beisetzung.
Die traditionelle Erdbestattung betont den unvergänglichen und bleibenden Wert jedes einzelnen Menschen, während der Mensch bei der Feuerbestattung mit einem Mal im Rauch vergeht. Der Umgang mit den Toten bestimmt auch den Wert der Lebenden. Hoffentlich finden wir auf die Dauer neue Formen, uns die Achtung vor dem einzelnen Menschenleben zu bewahren.
Neue Formen des Abschieds
Wenn sich in unserer Zeit nun immer mehr die Einäscherung verbreitet, stellt sich die Frage ganz neu, wie man den Abschied gestaltet. Denn zwischen den Tod und die Beisetzung der Asche tritt der Akt der Verbrennung und die braucht Zeit. Ich will die einzelnen verbreiteten Modelle hier kurz vorstellen und Vor- und Nachteile bewusst machen.
Möglichkeit 1: Trauerfeier kurz nach dem Tod, Beisetzung der Asche später
Das hat den Vorteil, dass man die Trauerfeier wie gewohnt halten kann und dabei auch der Sarg in der Kirche steht. Mann verlässt die Kirche dann gemeinsam und lässt den Sarg dort zurück, der dann vom Bestatter zum Krematorium gebracht wird. Nach erfolgter Einäscherung – manchmal Wochen später – trifft man sich dann erneut – meistens im engsten Kreis – auf dem Friedhof zu einer kurzen Beisetzungszeremonie für die Urne. Der Nachteil ist, dass Trauerfeier und Beisetzung weit auseinander gezogen werden. Die Trauerfeier verliert ihre Bedeutung als Ritual des Abschiednehmens uns Loslassens und die kurze Zeremonie auf dem Friedhof zur Urnenbeisetzung kann nicht die gleiche Hilfe bieten.
Möglichkeit 2: Trauerfeier zur Urnenbeisetzung
Immer mehr Familien entscheiden sich darum für eine Trauerfeier zur Urnenbeisetzung. Man muss dann zwar etwas länger auf die Bestattungsfeier warten. Trauerfeier in der Kirche und sofort anschließende Bestattung der Urne bilden dann aber wieder eine Einheit. Die Urne wird anstelle des Sarges in der Kirche aufgestellt und der oder die Verstorbene wird mit einem großen Foto für alle präsent gemacht. Obwohl die Trauerfeier einige Tage später als früher üblich erfolgt, kommt diese Form doch der traditionellen Bestattung und ihren Anliegen zur Hilfe in der Trauer am nächsten.
Möglichkeit 3: Seebestattung
Seitdem in Emden ein Seebestatter seine Dienste anbietet, entscheidet sich manches Gemeindeglied auch für die Bestattung seiner Asche im Dollart. Auch da gibt es verschiedene Möglichkeiten, diese mit einer kirchlichen Trauerfeier zu verbinden. Wie bei der Urnenbestattung kann die kirchliche Trauerfeier vor der Einäscherung erfolgen oder direkt vor der Seebestattung. Der Pastor kann auch mit an Bord kommen. Dann kann bei mittelgroßer Trauergesellschaft die gesamte Trauerfeier inklusive Trauerpredigt und Teetafel auf dem Schiff erfolgen oder der Pastor vollzieht nur die kirchliche Bestattungszeremonie vor der Übergabe der Urne an das Meer.
Wichtiger als die Form ist jedoch, dass wir unsere Verstorbenen unter dem Wort Gottes mit unserer christlichen Hoffnung verabschieden. Sie gründet in der Auferstehung Jesu Christi und ist unabhängig von der Art der Bestattung.
Dr. Holger Balder